Weit weg von zuhause —
die Welt und sich selbst entdecken
Jugendbegegnungen für junge Menschen
mit lebensverkürzender Erkrankung
Die meisten jungen Menschen mit einer lebensverkürzenden
Erkrankung leben geborgen in ihren Familien. Dort erfahren
sie große Zuwendung und Fürsorge, einen Hort der Geborgen-
heit, der Voraussetzung für ein würdevolles Leben mit
Erkrankung und Behinderung ist. Trotz dieser guten Lebensvoraussetzungen
Seite 12
bestehen Kindheit und Jugend auch in
Verselbständigungs- und Ablösungsprozessen, die für die
Entwicklung der Persönlichkeit von Bedeutung sind.
Erfahrungen jenseits der vertrauten familiären Geborgenheit
sind für alle Heranwachsenden wichtig.
Schon in den ersten Jahren des Bestehens der Deutschen
Kinderhospizakademie wurde von jungen Menschen und ihren
Eltern das Bedürfnis geäußert, den Kindern und Jugendlichen
Möglichkeiten zu bieten, Erfahrungen der Selbstwirksamkeit
jenseits des Familienalltags zu machen. Aus Sicht der jungen
Menschen heißt das: sich ohne den sorgenden Blick von Mama
und Papa einmal neu ausprobieren zu können, vielleicht in
neue Rollen zu schlüpfen und nicht nur ein Wochenende lang
in der Gemeinschaft Gleichaltriger zu leben.
So entstand die Idee einer Jugendbegegnung, die an den
Bedürfnissen der jungen Menschen orientiert, Räume für neue
Erfahrungen schafft. 2009 fand die erste siebentägige Begegnung
im Sauerland statt, damals noch als „Ferienfreizeit“
bezeichnet. Getragen von einem Team aus Leitung, Pflegekräften
und ehrenamtlichen Begleiterinnen und Begleitern
erlebten die Teilnehmenden die Normalität einer Ferien-
maßnahme mit all ihren schönen, spannenden, manchmal
aber auch konflikthaften Seiten. Die Berge des Sauerlandes
wurden gemeinsam erklommen und bei Lagefeuer und Musik
konnten die Abende gemütlich ausklingen.
Die zweite Reise führte 2010 ins flache Land. Nahe der Eulenspiegelstadt
Mölln in Schleswig-Holstein wurde erlebbar, wie
die Eiszeit die Landschaft geprägt hat. Zahlreiche Seen sind
entstanden, die mit allen Sinnen von den Teilnehmenden
bei Ausflügen in die Natur erkundet werden konnten. Seither
gehören einwöchige Fahrten zum Standardprogramm der
Deutschen Kinderhospizakademie.
Im Gegensatz zu den Seminaren steht bei Jugendbegegnungen
nicht ein bestimmtes Thema oder ein geplantes Programm im
Mittelpunkt der Veranstaltung. Die Unternehmungen werden
situationsorientiert vor Ort mit den Teilnehmenden zusammengestellt.
Zwar sollen die Begegnungen auch Erholung und
Urlaub bieten, doch vor allem die Begegnung der jungen
Menschen untereinander, die Erfahrung des Lebens in einer
Gruppe fernab von zuhause ist zentrales Anliegen des Bildungsangebotes.
Sie sollen dazu beitragen, das Selbstbewusstsein
zu fördern und sich als selbsttägigen Menschen zu erfahren.
2012 wurden diese Angebote von „Ferienfreizeiten“ in „Ferien-
begegnungen“ umbenannt, um nicht den Freizeit-, sondern
den Begegnungscharakter deutlich zu machen. Ab 2021 werden
die Ferienbegegnungen als „Jugendbegegnungen“ bezeichnet,
wie der offizielle Ausdruck für solche Bildungsveranstaltungen
lautet; denn sie unterscheiden sich nicht grundsätzlich von
dem, was alle anderen jungen Menschen bei solchen Veranstaltungen
auch erfahren.
Jacqueline Kostka