Seit Bestehen der Deutschen Kinderhospizakademie wächst die Nachfrage nach Angeboten,
die sich an Eltern richtet. Das Leben mit der Diagnose einer lebensverkürzenden Erkrankung
des eigenen Kindes erfordert eine hohe Bewältigungskompetenz und lässt kaum Zeit, auf
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Miteinander und voneinander lernen
Seminare für Mütter
Heike Will
persönliche Bedürfnisse zu schauen.
Ein organisiertes Angebot kann die entsprechenden Rahmenbedingungen bieten,
die eigene(n) Rolle(n) im Alltag zu reflektieren, Ressourcen zu entdecken und
neu zu aktivieren und Erfahrungen mit anderen zu teilen.
Besonders den Müttern fällt es oft schwer, sich eine Auszeit
vom Familienalltag zu nehmen und die Verantwortung für den
reibungslosen Ablauf zuhause abzugeben. Sozialer Rückzug
aus dem gesellschaftlichen Alltag und die Tendenz, sich selbst
aus dem Blick zu verlieren, werden oft dadurch begünstigt.
Ein Ziel der Bildungsangebote für Mütter ist es deshalb, Zeit
zu haben, einmal auf die eigenen Lebensthemen zu schauen,
die eigene Rolle als Frau, als Partnerin, als Mutter zu reflektieren.
Dabei gibt es die Möglichkeit, mit den eigenen Bedürfnissen
und Träumen in Kontakt zu kommen, Potenziale wieder
zu entdecken und ausdrücken zu können. Der Austausch mit
anderen Wissenden über Erfahrungen mit der Erkrankung,
mit Sterben, Tod und Trauer spielt dabei ebenso eine Rolle
wie der Erhalt von Informationen, die zur Bewältigung der
täglichen Herausforderungen beitragen können.
Die jeweiligen Tagungshäuser werden so ausgewählt, dass sie
sowohl Raum für die Beschäftigung mit den eigenen Lebensthemen
bieten und gleichzeitig Ausgangspunkt für Bewegung
und Begegnung in der Natur und interessante kulturelle Erlebnisse
im Umfeld sein können. Die Palette der Unterkünfte
reicht vom idyllisch gelegenen Kloster über Jugendherbergen,
Fußballschulen, kultige Hotels, inklusiv betriebenen Tagungshäusern
bis zum Cityhotel im Stadtzentrum. Das mehrtägige
Programm ist an den Bedürfnissen der Mütter ausgerichtet
und wechselt zwischen kreativen, aktiven Phasen und
Selbstreflexion
und Austausch. Biografiearbeit und Achtsamkeitsübungen
stehen ebenso auf dem Programm, wie Besichtigungen,
Stadtführungen und Theaterbesuche, Kreativ- und
Körperarbeit, austauschfördernde Kanu- und Wandertouren.
Was bei allen Mütterseminaren gleichermaßen rückgemeldet
wird ist das Erstaunen darüber, wie schnell alle miteinander
vertraut sind — ob sie nun zum ersten oder wiederholten Mal
dabei sind. Es dauert nie lange, bis eine ganz wertschätzende
und offene Atmosphäre entsteht, in der gemeinsam geredet,
gesungen, geschwiegen, geweint und gelacht werden kann.
Vor allem gelacht. So sehr, dass ich immer wieder mal gefragt
werde: „Was für eine Gruppe seid ihr noch mal?“ Einmal antwortete
eine Mutter bei einer Überfahrt mit der Fähre über
den Rhein dem Fahrkartenverkäufer „Wir sind alles Mütter
von totkranken Kindern“, worauf diesem der Mund offenstand
und die Kasse sicher aus der Hand geglitten wäre, hätte er
sie nicht um den Hals hängen gehabt.
Teilhaben zu können am Erfahrungsreichtum dieser besonderen
Frauen und sie dabei begleiten zu dürfen, Neues auszuprobieren
und sich selbst zu begegnen, empfinde ich als
große Bereicherung.