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Wege entstehen beim Gehen —
Väterbegegnungen in der Deutschen Kinderhospizakademie
Hubertus Sieler | Ansprechpartner für Familien
Seit fast 15 Jahren arbeite ich in der Funktion als
Ansprechpartner für Familien im Deutschen Kinderhospizverein.
Seit dieser Zeit darf ich die Begegnungen für Väter
der Deutschen Kinderhospizakademie begleiten.
In den Anfängen des Vereins haben Väter, deren Kinder
lebensverkürzend erkrankt und/oder gestorben waren, erste
Begegnungswochenenden organisiert. Die Deutsche Kinderhospizakademie
und somit der Deutsche Kinderhospizverein
bieten mit der Vätertour eine weitere Möglichkeit des Austausches
und der Begegnung. Sie stellt die Rahmenbedingungen
und fördert mit ihren Angeboten die Selbsthilfe. In die
Planungen sind die Väter nach wie vor eingebunden.
Zeit haben für sich selbst, fernab von Zuhause. Zeitfenster,
die vielen Vätern häufig unbekannt sind. Väter aus dem gesamten
Bundesgebiet folgen der Einladung zu einem gemeinsamen
Wochenende — Immer am 1. September-Wochenende.
Für viele Väter ist dieser Termin fest im Kalender notiert.
„Da sind Väter mit Aufgaben, die mir echt den größten Respekt
abzollen und die können unbeschwert lachen, erzählen
und heiter sein. Hier ist ein Ort dem Schweren ein Schnäppchen
zu schlagen aufzutanken und zu spüren: Auch ich als
Vater eines behinderten Kindes habe ein eigenes Leben, darf
lustig sein, mich freuen, manchmal einfach mal hinter mir
lassen und das Dasein genießen.“ (betr. Vater)
Auf den Väter-Begegnungen begegnen sich immer wieder Teilnehmer,
die zum ersten Mal oder zum wiederholten Male mit
dabei sind. Die Aufgabe der Tagungsleitung ist es alle Väter im
Blick zu haben. Sie muss schauen, dass alle Teilnehmer einen
Platz im Seminar finden.
Findet jeder Vater Anknüpfungspunkte? Finden sie Gesprächspartner,
mit denen sie sich und über ihre eigene Situation
austauschen können? Der erste Abend steht immer im Zeichen
des Ankommens. Viele Väter nehmen lange Wegstrecken auf
sich, um an dem Angebot teilzunehmen. Im Rahmen einer
intensiven Vorstellungsrunde besteht die Möglichkeit einen
Einblick in die persönliche und familiäre Situation zu geben.
Hier hat jeder die Möglichkeit von sich und seinem Lebensalltag
zu erzählen. Von Momenten mit dem erkrankten Kind
und der Familie, aber auch von Erinnerungen und Zeiten des
Abschieds, wenn das eigene Kind gestorben ist. Erzählen.
Zuhören. Schweigen. Nichts muss — alles kann, so ist es.
„Ernst genommen werden, Raum bekommen etwas Tiefes
von sich mitzuteilen“. (betr. Vater)
„Ich habe Gesprächen beigewohnt, deren Inhalt von der sagenhaften
Spannung zwischen „Welches Bier ist das
leckerste“ und „Welche Sterbe– und Begräbnisversicherung
für unsere Kinder ist die Beste“ geprägt war.“ (betr. Vater)
Unter Vätern entsteht in kürzester Zeit eine große Solidarität
untereinander. Es entstehen besondere Verbindungen,
besondere Verlässlichkeit untereinander.
„Das Leben mit unseren besonderen Kindern ist ein sehr
wertvolles Leben, das jeden einzelnen von uns geprägt hat.
Wir sind dankbar und froh, dass wir Menschen kennenlernen
durften, die an unserer Seite sind und wünschen uns noch
viele solcher Begegnungen.“ (betr. Vater)
In den vergangenen Jahren waren Väter-Begegnungen auch
immer mit Abschied verbunden. Kinder sind gestorben, aber
auch Väter selber, denen es immer wichtig gewesen war, Teil
der Gruppe zu sein. Sie werden in den zukünftigen Begegnungen
und in den Erinnerungen der Teilnehmer ihren festen
Platz haben. Viele schöne Orte haben wir in den vergangenen
Jahren besucht. Häufig in Regionen, in denen Teilnehmer der
Vätertour mit ihren Familien leben. Ein aktives Programm
wurde dabei so ausgewählt, dass der Austausch und Einzelgespräche
unter den Teilnehmern gefördert werden und nicht
zu kurz kommt. Ballonfahren in Xanten, Segeltörns nach
Helgoland und auf dem Isselmeer, Köln, mit dem Hotelbus
nach Berlin, St. Peter Ording und Füssen im Allgäu und viele
weitere unvergessene Wochenenden sind hier zu nennen.
„Ich glaube wir Väter müssen erst über Aktivitäten mobilisiert
und zueinander geführt werden. Erst nach und nach öffnen
wir uns und können uns anderen gegenüber mitteilen. Jeder
von uns geht seinen Weg und immer ist es der Richtige.“
(betr. Vater)
Vieles wird geteilt. Leid, traurige Momente und Gedanken,
aber auch die Freude, die Fröhlichkeit, die Leichtigkeit im
Leben. Viele Begegnungen hat es in den vergangenen Jahren
gegeben und es ist eine Freude sich wieder zu begegnen.
Wenn Väter, nach einer ersten Begegnung wieder mit an Bord
gehen und neue Wege wagen. Wege entstehen schließlich
beim Gehen.