Projekt zur Entwicklung einer Didaktik
der Kinder- und Jugendhospizarbeit
Die Bildung im Feld der Kinder- und Jugendhospizarbeit ist
unmittelbar aus dem Bedürfnis von Eltern entstanden, sich
über ihre Lebenssituation strukturiert auszutauschen und
dabei auch Impulse aus der Wissenschaft und Methoden der
Pädagogik aufzunehmen zu wollen. Schritt für Schritt entwickelten
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sich mit der Zeit Formate wie Seminare, Workshops
oder Begegnungen, in denen auf ganz unterschiedliche Weise
die Themen aufgegriffen werden, die aus der Lebenssituation
junger Menschen mit lebensverkürzender Erkrankung und
ihrer Familien entstehen oder sich aus den verschiedenen
Arbeitsansätzen der Kinder- und Jugendhospizarbeit ergeben.
Menschen aus vielen Fachbereichen wie Pädagogik, Kunst,
Psychologie, Rehabilitationswissenschaft, Musik oder Soziologie
gestalten ausgehend von den Bedürfnissen Betroffener
Veranstaltungen, die geeignet sind, gemeinsam Fragen anzugehen,
die sich Menschen angesichts eines Lebens mit lebensverkürzenden
Erkrankungen stellen.
Immer neue Formate und Ansätze entwickelten sich, aber
gleichzeitig wuchs das Bedürfnis, einmal grundlegend über
diese Form von Bildungsarbeit nachzudenken. Dabei gab es
mehrere Leitfragen:
Worin unterscheidet sich Bildung im Bereich der
Kinder- und Jugendhospizarbeit von anderen
Arten der Bildung, also was ist ihr spezifisches
Merkmal?
Sind die eingesetzten Methoden und inhaltlichen
Zugänge nur zufällig gewählt, oder steckt
dahinter ein umfassenderer Plan?
Gibt es ein eigenständiges Konzept von Bildung
im Kinder- und Jugendhospizbereich, oder sind
diese Maßnahmen nur ein Anhängsel der Förder-
oder Rehabilitationspädagogik?
Dass Bildungsmaßnahmen der Kinder- und Jugendhospizarbeit
in der Gesellschaft mit viel Wohlwollen betrachtet werden,
steht außer Zweifel. Aber werden sie eigentlich fachlich ernst
genommen? Oder sehen Wissenschaftler in ihnen nur den sympathischen
Versuch Betroffener, aus der Selbsthilfe motiviert
sich in dilettantischer Weise mit den eigenen Lebensthemen
zu befassen?
Aus all diesen Überlegungen und Fragen heraus entstand
2019 das Projekt „Entwicklung einer Didaktik der Kinder-
und Jugendhospizarbeit“. Im Verlauf mehrerer Jahre geht
es den oben gestellten Fragen nach, analysiert die bisherigen
Bildungsangebote und erprobt neue Ansätze. Eine Projektfachgruppe,
der junge Erwachsene, Eltern und Geschwister
angehören, haupt- und ehrenamtliche Referentinnen und
Referenten sowie die Projektverantwortlichen diskutiert die
Analysen und entwickelt neue Bildungsideen. Gefördert wird
das Projekt durch die Stiftung Deutsche Jugendmarke und
die Deutsche Kinderhospizstiftung.
Schon schnell entstand im Projektverlauf ein Bewusstsein
davon, dass die Fragen der Bildung in der Kinder- und Jugendhospizarbeit
viel weitreichender sind als ursprünglich angenommen.
Letztlich geht es um die zentrale Frage, welcher
Bildung ein Mensch bedarf angesichts der Zerbrechlichkeit
seiner Existenz. Dies betrifft keinesfalls nur junge Menschen
mit lebensverkürzender Erkrankung und ihre Familien,
sondern jeden Menschen. Während alle bisherigen Formen
von Bildungstheorien darauf angelegt waren, für die
Gestaltung einer scheinbar unbegrenzten Zukunft (in Beruf
und Gesellschaft) zu lernen, stellt sich hier die Frage, wie
Bildung gerade angesichts der nur begrenzten Zukunft aussehen
kann. Was müssen Menschen lernen, erkennen und
erfahren, um mit dem Bewusstsein ihrer eigenen Vergänglichkeit
gut leben zu können?
Am Ende des Projektes wird eine Buchpublikation stehen,
die für Theorie und Praxis wichtige Grundlagen der Bildung
im Feld der Kinder- und Jugendhospizarbeit darstellt. Damit
verbunden ist die Hoffnung, dass auf dieser Grundlage mehr
Bildungsträger qualifizierte Seminare für Betroffene durchführen
und sich so die Angebotspalette für die Familien bundesweit
vergrößert.
Peter Wirtz