Seite 5
Kinderhospizideen
in die Schule tragen
Kornelia Weber | Frühere Bildungsreferentin für Seminare mit Lehrkräften und Schulen
Zwei befreundete Lehrerinnen, die sich zu den trauernden
Müttern zählen, entwickeln 2002 erste Ideen, Lehrende zu
stärken, um gute Begleiter und Begleiterinnen für Kinder
und Jugendliche, die mit dem Tod konfrontiert sind, zu sein.
Sabine Papenburg, Grundschullehrerin, und ich als Lehrerin
am Gymnasium hatten in unseren Schulen und an den Schulen
unserer verstorbenen Söhne erfahren, wie wenig Bereitschaft,
Offenheit und Wissen vorhanden waren, um die Kinder
und Jugendlichen und ihre Familien wahrzunehmen und zu
unterstützen. Uns war es ein großes Anliegen, dies zu ändern,
wobei uns unsere Erlebnisse und Erfahrungen als Kompass
dienten.
In Kooperation mit dem Deutschen Kinderhospizverein, der
zum damaligen Zeitpunkt noch keine Akademie betrieb,
machten wir uns daran, eine Seminarkonzeption zu entwickeln.
In einem Brainstorming sammelten wir alle Aspekte,
die uns als Lehrerinnen und trauernden Müttern wichtig
waren: Begleitung, Rituale, Abschiedsfeier, Erinnern, Rolle
der Familie des Schülers/der Schülerin, Bedeutung des Todes
für die Mitschüler und Mitschülerinnen, eigene Auseinandersetzung
mit Leiderfahrungen …
Immer hatten wir dabei das betroffene Kind und seine Familie
im Fokus. Wir schauten niemals vom System Schule, seinen
Möglichkeiten und Schwierigkeiten her. Wir orientierten uns
in der Ausgestaltung der Seminarkonzeption am Maximum:
an (kinder)hospizlichem Denken und Handeln. Wir hatten das
Ziel, die Themen Krankheit, Tod und Trauer zu einem festen
Bestandteil von Schulkultur werden zu lassen.
2004 findet das erste Seminar unter Leitung von Sabine
Papenburg und mir in der Evangelischen Landjugendakademie
in Altenkirchen/Westerwald statt. Wir waren nervös, wir
wussten nicht, ob unser Konzept und vor allem unser
Anspruch den Teilnehmenden gemäß sein würde. Würden sie
bei unseren Vorstellungen von einer Schule, in der Krankheit
und Tod ihren Platz haben dürften, mitgehen? Wir wurden mehr
als überrascht. Es schien, als hätten die Menschen, die sich
dort versammelt hatten, auf einen solchen Impuls gewartet.
2006 befasste sich die erste Fachtagung der Deutschen
Kinderhospizakademie „Krankheit, Tod und Trauer in der
Förderschule“ mit dem Bereich Schule. Es gelang, viele
Menschen aus Wissenschaft und Praxis zu versammeln, die
unser Anliegen mit voranbringen wollten. Hier sind aus dem
Wissenschaftsbereich u.a. Prof. Sven Jennessen, Dr. Volker
Daut und der leider verstorbene Prof. Christoph Leyendecker
zu nennen, die weiterhin und bis heute für den Deutschen
Kinderhospizverein tätig waren bzw. sind. Wichtige
Anregungen kamen aus der praktischen Arbeit einzelner
Förderschulen,
die zeigten, dass ein anderer Umgang mit der
Thematik möglich ist. Dieser Austausch zwischen Theorie und
Praxis war für alle Teilnehmenden sehr gewinnbringend.
Im Anschluss daran erschien eine erste Veröffentlichung zum
Themenbereich: „Begleiten — Abschiednehmen — Trauern.
Kinder mit lebensverkürzender Erkrankung.“
Meist wurden wir in den Folgejahren angefragt, schulintern
in Förderschulen zu arbeiten. Hier ging es darum, die Schulen
bei der Verankerung der Themen ganz konkret zu unterstützen.
Mit einem kleinen Team von Mitarbeiterinnen konnte ich
den Anfragen nachkommen, lernte dadurch viele unterschiedliche
Schulen kennen und schätzen.
Zusätzlich zu schulinternen Seminaren führten wir Seminare
in Bildungshäusern durch. Hier kamen Menschen aus unterschiedlichen
schulischen Bezügen zusammen: Lehrende,
Schulsozialarbeiter und -arbeiterinnen, Schulpsychologen
und –psychologinnen, Mitarbeitende aus der Hospizarbeit,
Schulseelsorgende. Unser Anspruch an die Teilnehmenden,
sich auf die eigene Sterblichkeit zu besinnen und Tod und
Trauer als Teil einer lebendigen Schule zu verstehen,
erforderte für Menschen aus allgemeinen Schulen, die bisher
noch keinen Kontakt mit dem Thema hatten, viel Offenheit
und Mut. Beides hat mich sehr beeindruckt.
2019 haben Peter Wirtz und ich haben die Chance, im Beltz
Verlag ein Buch zum Themenbereich zu verfassen: Krankheit,
Tod und Trauer in der Schule — Eine Praxishilfe zum achtsamen
Umgang. Es ist das erste Buch, dass das Thema junge
Menschen mit lebensverkürzender Erkrankung in der Schule
aufgreift.
Die Themen Tod und Trauer haben heute in vielen Schulen
einen besseren Platz gefunden. Die Bereitschaft der Lehrenden,
sich auf die Themen einzulassen, ist erheblich größer
geworden.
In den Förderschulen sind meiner Einschätzung nach Kinder
und Jugendliche mit lebensverkürzender Erkrankung und ihre
Familien sehr oft gut aufgehoben. Im allgemeinen Schulsystem
haben kinderhospizliche Ideen jedoch oftmals noch
keinen sicheren Platz. Dies bleibt eine wichtige Aufgabe der
Deutschen Kinderhospizakademie.