
Sozialethik
(7) Ebenso muss die Herausforderung
der digitalen Teilhabe diskutiert werden.
Bereits diese Überlegungen deuten
an, dass die Diskussion um eine nachhaltige
Digitalisierung komplex, vielfältig
und durchaus ambivalent ist.
Schließlich darf Nachhaltigkeit nicht
nur auf Umwelt- und Naturschutz reduziert
werden; Nachhaltigkeit muss – in
Anlehnung an die Umweltenzyklika
Laudato si‘ von Papst Franziskus –
ganzheitlich gedacht werden; weitere
wirtschaftliche, gesellschaftliche, politische
und ethische Fragestellungen
sind also zu bedenken. Darüber hinaus
muss berücksichtigt werden, dass es
neben der Veränderung unseres Handelns
auch um neue Ideen und Wertvorstellungen
geht, die unser Handeln
leiten; denn nur durch Ideen und Wertvorstellungen,
die mit der Leitperspektive
einer ganzheitlichen Nachhaltigkeit
übereinstimmen, kann sich unser
Handeln dahingehend ändern, dass wir
eine Welt schaffen, in der ein gerechtes
Miteinander möglich ist.2
Damit digitale Technologien also
wirklich der Leitperspektive einer
ganzheitlichen Nachhaltigkeit entsprechen,
bedarf es eines moralischen
Kompasses, der es ermöglicht, den
Prozess der digitalen Transformation
kritisch zu begleiten, auf Chancen und
Risiken digitaler Technologien hinzuweisen,
damit diese schließlich in eine
smarte grüne Welt und somit auch in
eine gerechtere Welt führen können.
Von Dr. Anna Karger-Kroll
Sie ist wissenschaftliche
Mitarbeiterin
am Lehrstuhl für Systematische
Theologie am Seminar für Katholische
Theologie der Universität Siegen.
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Digitalisierung und Nachhaltigkeit –
geht das zusammen?
Smart Home, Smart Mobility,
Smart Cities – durch solche
smarten und vernetzenden Technologien
scheint die Reichweite der digitalen
Transformation grenzenlos und ihre
Dynamik
kaum zu fassen. Sie durchdringt
nahezu all unsere Lebensbereiche
und wird auch unser zukünftiges
Leben maßgeblich prägen. Es stellt
sich nur die Frage, in welche Richtung?
Sicherlich wird unser Leben durch viele
digitale Technologien einfacher und
komfortabler, aber dadurch zugleich
besser? Bereits diese Frage deutet – in
einem theologisch-ethischen Kontext
– an, dass die digitale Transformation
mit einem Gestaltungsauftrag einhergeht,
den wir nicht nur bestimmen,
sondern ebenso verantworten müssen.
In was für eine Welt soll uns die digitale
Transformation führen?
Smart Home, Smart Mobility, Smart
Cities – all diese Konzepte möchten zugleich
einen Beitrag zur Bewältigung
der Herausforderungen der ökologisch
sozialen Krise leisten. So dienen
Smart-Home-Systeme der Energieeinsparung
im häuslichen Bereich; Smart
Mobility ermöglicht zeit- und energieeffiziente
Mobilität, ohne auf ein eigenes
Verkehrsmittel angewiesen zu sein;
und unter Berücksichtigung weiterer
Lebensbereiche wie Wirtschaft oder
Verwaltung führt diese Entwicklung
schließlich zu Smart Cities. Zunehmend
werden also die Potenziale der Digitalisierung
genutzt, um ein Mehr an Nachhaltigkeit
in möglichst vielen Lebensbereichen
zu erlangen. Eine smarte
grüne Welt scheint die neue Leitperspektive
zu sein.
So vielversprechend diese Entwicklungen
sein mögen, es muss bedacht
werden, dass digitale Technologien „bestehende
Umweltprobleme und Ungleichheiten
verstärken“1 können. Darauf
machen folgende Überlegungen aus
einer christlich-sozialethischen Perspektive
aufmerksam: (1) Spart es wirklich
Strom ein, Haushaltsgeräte intelligent
zu vernetzen? Hinterlässt der
entstehende zunehmende Datenverkehr
nicht einen deutlich höheren ökologischen
Fußabdruck? Sicherlich stehen im
Kontext der Digitalisierung nachhaltige
Maßnahmen wie eine ressourceneffiziente
Kreislaufwirtschaft oder die Optimierung
unterschiedlicher Produktionsprozesse
im Fokus, jedoch auch ein
grundsätzlich niedrigerer Energieverbrauch.
(2) Der damit einhergehende
Begriff der digitalen Suffizienz verweist
zudem darauf, digitale Technologien
nicht so viel wie möglich, sondern nur
so viel wie nötig einzusetzen. (3) Dies
setzt wiederum eine Auseinandersetzung
mit unseren eigenen Motiven voraus.
Geht es uns bei den genannten digitalen
Technologien wirklich um den
Umwelt- und Klimaschutz oder doch
eher um Bequemlichkeit und Konsum?
(4) Des Weiteren besteht das Risiko,
dass noch funktionstüchtige Geräte
ausgetauscht und entsorgt werden.
Führt dieser Wunsch nach „Neuem“
nicht zu einem höheren Ressourcenverbrauch?
(5) Und unter welchen (Arbeits‑)
Bedingungen werden die Ressourcen
eigentlich gewonnen und die
neuen technischen Geräte hergestellt?
Es stellen sich im Kontext einer nachhaltigen
Digitalisierung demnach auch
Fragen der sozialen Gerechtigkeit. (6)
Zugleich gilt es, Aspekte der informationellen
Selbstbestimmung, der Privatheit
oder der Sicherheit zu bedenken.
1 Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) (Hg.),
Unsere gemeinsame digitale Zukunft, Berlin 2019, 33.
2 Siehe hierzu insbesondere Schneidewind, Uwe, Die große Transformation. Eine Einführung in die Kunst gesellschaftlichen Wandels (Forum
für Verantwortung), Frankfurt am Main 42019, 37ff.